Kann man dauerhaft mit 4–5 Stunden Schlaf leben? – Die Wissenschaft hinter Kurzschläfern
Theresa Hauser, MSc. | 07.11.2025

Wer regelmäßig nur vier bis fünf Stunden pro Nacht schläft, kennt das Phänomen: Während sich viele tagsüber erschöpft fühlen, behaupten einige Menschen, sie kämen „seit Jahren mit wenig Schlaf bestens zurecht“. Doch stimmt das wirklich – oder täuscht die eigene Wahrnehmung? In diesem Artikel beleuchten wir, was die Forschung über sogenannte Kurzschläfer weiß, welche genetischen und biologischen Faktoren dahinter stehen – und warum dauerhaft zu wenig Schlaf langfristig problematisch ist.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch wirklich?
Die optimale Schlafdauer variiert individuell. Große Metaanalysen zeigen jedoch ein recht stabiles Fenster:
Für Erwachsene gelten 7–9 Stunden Schlaf pro Nacht als gesundheitsförderlich.
Unterhalb von sechs Stunden steigt das Risiko für:
- kognitive Leistungseinbußen,
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
- Diabetes, Übergewicht und
- Stimmungsstörungen
- Verkürzte Lebenserwartung.
Diese Effekte sind vielfach belegt. Trotzdem gibt es Menschen, die mit weniger Schlaf auskommen – zumindest subjektiv.
Was sind „Kurzschläfer“?
Wissenschaftlich spricht man von „Short Sleepers“, wenn Personen dauerhaft weniger als sechs Stunden pro Nacht schlafen und sich dennoch leistungsfähig fühlen. Dabei unterscheidet man zwei Gruppen:
- Kompensierte Kurzschläfer
Sie schlafen zu wenig, leben mit chronischem Schlafdefizit und funktionieren im Alltag aber nur dank erhöhter Stresshormone, Kaffee und Adrenalin. Langfristig zeigen sich hier deutliche gesundheitliche Nachteile.
- Natürliche Kurzschläfer
Eine extrem seltene genetische Variante. Weniger als 1 % der Bevölkerung trägt Mutationen (z. B. im DEC2-Gen oder im ADRB1-Gen), die die innere Uhr und Schlafhomöostase verändern. Diese Menschen brauchen tatsächlich weniger Schlaf – und zeigen weder Leistungs- noch Gesundheitsdefizite.
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Zur sleep² AppDie Genetik der Kurzschläfer
2009 entdeckte die Forscherin Ying-Hui Fu an der University of California, dass Träger der DEC2-Mutation natürlicherweise etwa 1,5 Stunden weniger Schlaf benötigen. Spätere Studien identifizierten weitere Varianten, die Einfluss auf Wachheitssysteme im Gehirn nehmen.
Diese genetischen Kurzschläfer sind nicht trainierbar – nur wer die Mutation trägt, kann sich „Weniger-Schlafen“ antrainieren. Der Körper holt fehlenden Schlaf über Mikroschlafepisoden, verminderte Aufmerksamkeit oder späteren Nachholschlaf zurück.
Warum sich wenig Schlaf kurzfristig machbar anfühlt
Viele Menschen unterschätzen die Folgen von Schlafmangel, weil die Selbsteinschätzung stark trügt. Studien zeigen: Bereits nach einer Woche mit < 6 h Schlaf glauben Probanden, sich „gewöhnt“ zu haben – objektiv sinken aber Reaktionszeit, Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung weiter.
Das Gehirn adaptiert also nicht wirklich – es merkt nur weniger, dass es müde ist.
Aber Achtung, auch bereits <7 Stunden können für viele Menschen bereits zu wenig sein und zu ähnlichen Leistungseinbußen führen. Sobald du am freien Tag Schlaf „nachholst” und länger als in der Arbeitswoche schläfst, kann man davon ausgehen, dass du unter chronischem Schlafentzug leidest. Dein persönlich optimales Schlaffenster findest du am einfachsten im Urlaub, wenn du mal mehrere Tage am Stück einfach ausschlafen kannst. Diese Schlafdauer solltest du dir dann kontinuierlich vornehmen und nicht nur am Wochenende.
Gesundheitsfolgen chronischen Schlafmangels
Langfristig führt regelmäßiger Kurzschlaf zu einer Vielzahl physiologischer Veränderungen:
- erhöhter Blutdruck, Entzündungswerte und Cortisolspiegel,
- gestörte Glukosetoleranz,
- Gewichtszunahme durch hormonelle Dysbalancen (Leptin/Ghrelin),
- abgeschwächte Immunfunktion.
Auch das Risiko für Depressionen, Burnout und Demenz steigt. Die Langzeitdaten sprechen hier eine klare Sprache: Dauerhaft weniger als sechs Stunden Schlaf gelten als Gesundheitsrisiko.
Was hilft, wenn man regelmäßig zu wenig schläft
Für viele ist weniger Schlaf kein bewusster Lebensstil, sondern Folge von Stress, Familie oder Schichtarbeit. Zudem setzen viele Menschen einfach nicht genug Priorität auf den Schlaf und bevorzugen z.B. noch einen guten Spätabendfilm mit dem Partner auf der Couch gegenüber etwas mehr Erholung im Schlafzimmer. Folgende Maßnahmen helfen, den Schlaf zu verbessern und mehr Raum zu geben:
- Möglichst ähnlicher Schlaf- und Aufstehzeitpunkt, auch am Wochenende
- Lichtmanagement: helles Tageslicht am Morgen, gedämpftes Licht am Abend
- Keine Koffeinaufnahme ab dem späten Nachmittag
- Reduktion von Bildschirmlicht in der letzten Stunde vor dem Schlaf
- Entspannungsroutinen (Atemübungen, Lesen, beruhigende Hörspiele, Musik, etc.) vor allem kurz vor dem Schlafengehen
- Schlaftracking (z. B. mit sleep²) zum Bewusstmachen individueller Muster
Fazit
Echte „Kurzschläfer“ sind extrem selten. Für die meisten Menschen bedeutet dauerhaft weniger als sechs Stunden Schlaf eine schleichende Belastung für Körper und Geist – auch wenn sie sich subjektiv gut fühlen. Wer häufig müde ist, Konzentrationsprobleme hat oder das Gefühl hat, nie wirklich erholt zu sein, sollte sein Schlafverhalten ernsthaft überprüfen.
Schlaf ist keine verlorene Zeit – sondern die Voraussetzung für Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Lebensqualität.





